Amalie_Beer_Gemaelde_von_Carl_Kretschmar_um_1803_Oel_Leinwand_ Stadtmuseum_Berlin_gemeinfrei

»Amalie Beer (1767–1854) und ihr Berliner Salon«

11. Soirée mit Vortrag, Lesung, Musik und Gespräch
Am 25. Juni 2024 um 19.00 Uhr
Location
zlb, Berlin-Saal
Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Breite Str. 36, 10178 Berlin
Eintritt frei

Den Vortrag der 11. Soirée der Ephraim Veitel Stiftung widmete Dr. Petra Dollinger (München) Amalie Beer (1767-1854) und ihrem Berliner Salon.

Amalie Beer wurde bekannt als Mutter des Komponisten Giacomo Meyerbeer, des Astronomen Wilhelm Beer und des Dichters Michael Beer, ebenso als große Philanthropin und preußische Patriotin. Sie spielte jedoch auch eine bemerkenswerte Rolle als Gastgeberin ihres Salons, der über Jahrzehnte ein Zentrum insbesondere des musikalischen Lebens in Berlin war. Zu den Gästen zählten nicht nur die Größen der zeitgenössischen Musik- und Theaterwelt, Diplomaten und Literaten, sondern viele Berliner Freunde und Bekannte, darunter auch interessante Vertreter der Familie Ephraim. Der glänzende Rahmen der Geselligkeit kontrastierte auffallend mit der ungezwungenen, herzlichen Art der Gastgeberin. Insbesondere in den temperamentvollen Briefen Amalie Beers an Meyerbeer tritt ihre kluge, energische und humorvolle Persönlichkeit deutlich hervor. Ihr langes Leben verknüpfte die Epoche der Berliner Aufklärung mit der Biedermeierzeit und der Ära König Friedrich Wilhelms IV.

Vortrag: Dr. Petra Dollinger, München
Musik: Rainer Killius (Klavier), Andrea Chudak (Sopran)
Lesungen: Raphaëlle Efoui-Delplanque

Der Vortrag ist Teil des Rahmenthemas der Ephraim Veitel Soiréen 2024, das dem intellektuellen Kreis um die Gründer-Familie Ephraim und der nachfolgenden Generationen gewidmet ist.

 

(Abb. Vorschaubild: Amalie Beer, Gemälde von Carl Kretschmar, um 1803, Öl/Leinwand, Stadtmuseum Berlin (ehemals Märkisches Museum), gemeinfrei


Fotos: Matthias Reichelt


Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Stiftung Stadtmuseum, Berlin


Die Veranstaltung wurde gefördert von der Stiftung Preußische Seehandlung.


Bildnis Salomon Maimon, Radierung von Wilhelm Arndt (1767-1813), Universitätsbibliothek Leipzig, Porträtstichsammlung, Inventar-Nr. 31/47

»Salomon Maimon, der Schrecken der Berliner Aufklärung«

10. Soirée mit Vortrag, Lesung, Musik und Gespräch
Am 21. März 2024 um 19.00 Uhr
Location
zlb, Berlin-Saal
Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Breite Str. 36, 10178 Berlin
Eintritt frei

In der 10. Soirée hat Dr. Joseph Wälzholz den intellektuellen Kreis um die Gründer-Familie Ephraim für das Publikum erkundet und stellte Salomon Maimon als einen Meister des Dialogs vor.

Salomon Maimon war der Schrecken der Berliner Aufklärung: Ein um 1753 in Polen-Litauen geborenes Wunderkind, das jung verheiratet wurde und mit Anfang 20 seine große Familie verließ, um als Bettler durch Europa zu irren. Ein Außenseiter, Alkoholiker und Provokateur, der in Berlin immer wieder Gönner fand, die er dann regelmäßig beleidigte. Ein Jude, der kein Jude sein wollte, und ein genialer Philosoph, der Kant herausforderte und inspirierte. Seine 1792/93 erschienene »Lebensgeschichte« ist die erste auf deutsch geschriebene Autobiographie eines Juden überhaupt, hier schildert er sein abenteuerliches Leben.
Maimon versuchte immer wieder, einen Dialog zu führen mit orthodoxen ebenso wie mit aufgeklärten Juden, mit orthodoxen ebenso wie mit aufgeklärten Christen. War Maimon vielleicht gerade deswegen, weil er so viel Widerspruch hervorrief, ein Meister des Dialogs? In diesem Vortrag wird Salomon Maimon ausführlich vorgestellt und auch auf seine Herkunft aus Osteuropa näher eingegangen – der Gegend, die heute im Zentrum des Weltgeschehens steht.

Der Vortrag wurde wie gewohnt musikalisch umrahmt.

Vortrag: Dr. Joseph Wälzholz , München
Musik: Florian Burgmayr (Akkordeon, Tuba)
Lesungen: Paul Sonderegger

Der Vortrag war Teil des Rahmenthemas der Ephraim Veitel Soiréen 2024, das dem intellektuellen Kreis um die Gründer-Familie Ephraim und der nachfolgenden Generationen gewidmet ist.


Hier der Link zum (leicht überarbeiteten) Vortragsskript, erschienen am 21. Mai 2024 im Blog der Zeitschrift Merkur.


Fotos: Matthias Reichelt


Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Stiftung Stadtmuseum, Berlin


Die Veranstaltung wurde gefördert von der Stiftung Preußische Seehandlung.


Giacomo Meyerbeer Lithographie von Josef Kriehuber 1847

»Giacomo Meyerbeer und Richard Wagner«

7. Soirée mit Vortrag, Lesung, Musik und Gespräch
Am Donnerstag, 16. März 2023 um 19.00 Uhr
Location
zlb, Berlin-Saal
Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Breite Str. 36, 10178 Berlin
Eintritt frei

Die 7. Soirée der Ephraim Veitel Stiftung, ein Vortrag von Prof. Jascha Nemtsov mit Lesungen und Musik, wurde gemeinsam mit der Meyerbeer-Gesellschaft e.V. (Berlin) organisiert.

Das Verhältnis zwischen Richard Wagner (1813-1883) und Giacomo Meyerbeer (1791-1864) ist in der Musikgeschichte einzigartig. Meyerbeer hatte als erster renommierter Musiker Wagners Talent erkannt und ihn dann großzügig materiell und moralisch unterstützt. Wagner wurde von Meyerbeer mehrfach protegiert und an verschiedene Opernhäuser empfohlen, was schließlich seinen Durchbruch als Komponist und Dirigent in Dresden bewirkte. Wagner wurde aber auch künstlerisch von Meyerbeer inspiriert und in der Öffentlichkeit durchaus als dessen Schüler angesehen. So war es eine Art musikalischer „Vatermord“, den Wagner mit seiner antisemitischen Diffamierungskampagne beging. Diese Kampagne trug letztlich wesentlich zu einer fast vollständigen Auslöschung Meyerbeers, des bedeutendsten und erfolgreichsten Opernkomponisten seiner Zeit, aus dem internationalen Repertoire bei.
Der Pianist und Musikwissenschaftler, Professor für Geschichte der jüdischen Musik an der Musikhochschule Weimar Jascha Nemtsov beleuchtete in seiner Präsentation verschiedene Facetten der komplexen Beziehung zwischen beiden großen Musikern.
In der Interpretation der Sopranistin Alice Lackner und mit Jascha Nemtsov am Klavier erklangen Kompositionen von Meyerbeer und Wagner.

>>Programm lesen


Fotos: Matthias Reichelt


Eine Kooperation der Ephraim Veitel Stiftung mit der Stiftung Stadtmuseum, Berlin


Logo der Giacomo-Meyerbeer-Gesellschaft e. V. (Berlin)

In Kooperation mit der Giacomo-Meyerbeer-Gesellschaft e. V. (Berlin):

Giacomo-Meyerbeer-Gesellschaft e.V.
c/o Thomas Kliche
Seumestr. 25
10245 Berlin
https://meyerbeer-gesellschaft.de/
thomas.kliche@meyerbeer-gesellschaft.de


Gefördert durch die LOTTO-Stiftung Berlin


Lesser Ury: Bildnis Abraham Geiger, um 1905, Pastell auf Pappe, Abb. gemeinfrei (http://www.zeno.org/nid/20004346084)

»Leopold Zunz und Abraham Geiger als Vorkämpfer für die Reform des jüdischen Gottesdienstes«

Soirée mit Vortrag, Lesung, Musik und Gespräch
Am 22. November 2022, von 19.00 - 21.30 Uhr
Location
zlb, Berlin-Saal
Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Breite Str. 36, 10178 Berlin
Eintritt frei

In der Veranstaltung im Herbst 2022 hielt Dr. Klaus Herrmann (Freie Universität Berlin, Institut für Judaistik) einen Vortrag zum Thema »Reform und Wissenschaft im Judentum des 19. Jahrhunderts. Leopold Zunz und Abraham Geiger als Vorkämpfer für die Reform des jüdischen Gottesdienstes«.

Die Anfänge der jüdischen Reformbewegung und das Aufkommen der Wissenschaft des Judentums stehen in einem engen inneren Zusammenhang, sind doch ihre Protagonisten weithin identisch. Auch wenn die Tätigkeit von Leopold Zunz (1794-1886), dem eigentlichen Begründer der Wissenschaft des Judentums, als Prediger am Beerschen Reformtempel in Berlin und damit seine aktive Rolle in der Reformbewegung eine recht kurze Zeitspanne umfasste, so hat er doch zeit seines Lebens die Modernisierung der religiösen Praxis, gerade auch wie sie von Abraham Geiger (1810-1874), dem wohl bedeutendsten Reformrabbiner des 19. Jahrhunderts, vertreten wurde, kritisch begleitet.

Portrait Leopold Zunz, vermutlich von Moritz Daniel Oppenheim, gemeinfrei (https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=494741)
Portrait Leopold Zunz, vermutlich von Moritz Daniel Oppenheim, gemeinfrei (https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=494741)

Im dem Vortrag ging es jedoch weniger um die Wissenschaft des Judentums als solcher oder um bestimmte Aspekte von Zunzens und Geigers ausgesprochen vielseitigen wissenschaftlichen Tätigkeiten als vielmehr darum, dass die jüdische Reformbewegung sowie die Wissenschaft des Judentums im Kontext protestantischer Mehrheitskulturen entstanden sind.
Auch die Biographien von Zunz und Geiger stehen in diesem Spannungsfeld zwischen der Anziehungskraft der protestantisch geprägten Mehrheitskultur und ihrem Antagonismus gegen den Geltungsanspruch dieser Leitkultur, wobei sich dieses Spannungsfeld seinerseits in heftigen, zwischen Zunz und Geiger geführten Kontroversen über Wissenschaft und Reform im Judentum entladen konnte. Für den Vortrag haben daher auch die Lebenserinnerungen, die Privatkorrespondenzen sowie wenig beachtete und zum Teil noch unedierte Archivalien Berücksichtigung gefunden, die in nuce die inneren Konflikte um die Neudefinition jüdischer Identität in der Moderne zeigen und bisweilen einen starken Anpassungsdruck an die protestantische Mehrheitskultur zum Ausdruck bringen. Die Familiengeschichte der Ephraims in Berlin lässt nur zu gut erkennen, wie sehr dieser Anpassungsdruck als Konversionsdruck wirken konnte.

Lesser Ury: Bildnis Abraham Geiger, um 1905, Pastell auf Pappe, Abb. gemeinfrei (http://www.zeno.org/nid/20004346084)
Lesser Ury: Bildnis Abraham Geiger, um 1905, Pastell auf Pappe, Abb. gemeinfrei
(http://www.zeno.org/nid/20004346084)

Im Blick auf die Reform ging es in dem Vortrag vor allem um jüdische Gebetbücher, Predigten, jüdische Konfirmationen für Jungen und Mädchen, Katechismen und, nicht zuletzt, um Orgel und Chorgesang. Für die musikalische Modernisierung des jüdischen Gottesdienstes im 19. Jahrhundert stehen vor allem die Namen der großen jüdischen Komponisten Salomon Sulzer (1804-1890) in Wien und Louis Lewandowski (1821-1894) in Berlin, die die synagogale Musik bis heute in entscheidender Weise geprägt haben. Doch als die Reform in Seesen im Jahre 1810 begann, gefolgt von Berlin (1815) und Hamburg (1817), war Lewandowski noch nicht geboren und Sulzer gerade einmal sechs Jahre alt. Die Neuorientierung des synagogalen Gesangs an protestantischen Chorälen in der Frühphase der Reform sowie die von Sulzer und Lewandowski forcierte Rückkehr zur traditionellen, wenngleich dem europäischen Zeitgeschmack angepassten Synagogalmusik haben diesen Vortrag musikalisch umrahmt.

 

Vortrag: Dr. Klaus Herrmann, Freie Universität Berlin, Institut für Judaistik
Lesungen: Claus-Dieter Fröhlich
Musik: Alte und neue Aufnahmen auf Schallplatte und CD

Den gesamten Vortrag lesen (PDF)

Fotos: Matthias Reichelt


Eine Kooperation der Ephraim Veitel Stiftung mit der Stiftung Stadtmuseum, Berlin


Gefördert durch die Lotto Stiftung Berlin


Moses_Mendelssohn_1771_nach-Anton-Graff-by-James-Steakley

Der Philosoph Moses Mendelssohn aus Berlin

5. Soirée mit Vortrag, Lesung, Musik und Gespräch
Am 02. Juni 2022, 19.00-21.30 Uhr
Location:
zlb, Berlin-Saal
Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Breite Str. 36, 10178 Berlin
Eintritt frei

Vortrag
Stephen Tree
Der Philosoph in der Großstadt: »Moses Mendelssohn aus Berlin«

Der Sage nach ist er kurz nach der Barmizwa, mit vierzehn Jahren, als armer »Bocher« und Bettelstudent zu Fuß in die Großstadt gewandert, in der er sein ganzes erwachsenes Leben verbringen sollte, wo er, wie auf seinem Grabstein vermerkt, als »Chochem«, als der Weise, »Reb Mausche Dessau« begraben wurde, oder, wie ihn die Königlich-preußische Akademie nach Mendelssohns Gewinn ihres philosophischen Preisausschreibens mit seinem selbst gewählten Nachnamen (und zunächst nur einem »S«) bezeichnet hat: »Moses Mendelsohn aus Berlin«.

 

Moses_Mendelssohn_in_Potsdam_1792
Moses Mendelssohn in Potsdam, 1792

Eine Stadt, die damals unter seinem »gnädigen König« Friedrich II. auf kulturellem Gebiet denselben europäischen Rang zu erobern versuchte, wie dies Preußen gerade mit militärischen Mitteln tat, und zu deren Ruhm er als »fameux juif«, als der »berühmte Moses Mendelssohn« – so ein an ihn gerichtetes königlich-preußisches Sendschreiben – ebenso beigetragen hat wie als Geschäftsführer einer florierenden Seidenmanufaktur zu ihrer Wirtschaftskraft. Eine Stadt, in der er zugleich den eigenen halbwegs gesicherten Aufenthaltsstatus (III. Klasse, nicht an Frau und Kinder vererbbar) nur den wiederholten Bemühungen des freigeistigen Denkers und königlichen Günstlings Marquis D’Argens zu verdanken hatte, und, wie mehrfach bezeugt, jederzeit judenfeindlichen Pöbeleien und Beschimpfungen ausgesetzt war.

Eine Zeitreise in Mendelssohns Berlin mit Originaldokumenten und Textausschnitten – umrahmt und begleitet von der Musik der Epoche sowie seiner nachgeborenen musikalischen Enkelkinder Fanny und Felix.

Vortrag: Stephen Tree
Klavier: Jascha Nemtsov
Lesungen: Claus-Dieter Fröhlich

Den gesamten Vortrag lesen (PDF)

Fotos: Matthias Reichelt


Eine Kooperation der Ephraim Veitel Stiftung mit der Stiftung Stadtmuseum, Berlin


Gefördert durch die Lotto Stiftung Berlin


Archivalie Universität

Die erste jüdische Universität in Berlin (1856)

Ein Vortrag von Prof. Dr. Karl E. Grözinger, Vorsitzender der Ephraim Veitel Stiftung, mit Lesungen und Musik - 4. Soirée der Ephraim Veitel Stiftung

  • Ort: Museum Nikolaikirche, Nikolaikirchplatz, 10178 Berlin
  • Termin: Samstag, 9. Oktober 2021


Die erste jüdische Hochschule Berlins wurde 1856 von den Stiftungen der Hofjuweliersfamilie Ephraim gegründet, und zwar nachdem die Berliner Universität die Einrichtung eines Lehrstuhls oder von Dozenturen für jüdische Geschichte und Literatur ablehnte, trotz einer Finanzierungszusage der Ephraimschen Stiftungen. An der „Veitel Heine Ephraimschen Lehranstalt“ unterrichteten und studierten berühmte Gelehrte der Wissenschaft des

Vorlesungsankuendigunng in der AZ des Judenthums 1862
Abb. Vorlesungsankündigung in der Allgemeinen Zeitung des Judenthums, 9. September 1862

Judentums wie Leopold Zunz, Moritz Steinschneider, Theodor Haarbrücker, Abraham Geiger und Fürchtegott Lebrecht. Studenten der Lehranstalt wie Salomon Schechter, Claude Montefiori, Ignaz Goldziher oder Immanuel Loew wurden zu den führenden Köpfen des Judentums. Ein berühmter christlicher Student war der spätere Professor Hermann Leberecht Strack, er war der Begründer des „Institutum Judaicum“ an der Berliner Universität.

 

Thema des Vortrags ist die Begründung der ersten Berliner jüdischen Hochschule nach universitären Kriterien, die im Blick auf Lehrkräfte und Studierende die Mutterinstitution der späteren Hochschule für die Wissenschaft des Judentums war. Der Umwandlung des schon vor 1774 von Veitel Heine Ephraim gegründeten traditionellen Bet ha-Midrasch in eine akademische Einrichtung ging ein zwanzigjähriges Ringen innerhalb der Stifterfamilie voran, die zum Teil das Christentum annahm, sowie nach außen mit den preußischen Behörden, der Berliner Universität und den Gelehrten der Wissenschaft des Judentums.

Dies wird detailreich anhand bisher kaum beachteter Quellen der ehemals preußischen Archive in Berlin und Brandenburg dargestellt. Akten aus den Archiven beschreiben die Anliegen der jüdischen Antragsteller, die Reaktionen von Universität und Ministerien und die Unsicherheiten der frisch getauften Ephraims im Ringen mit ihren dem Judentum treu gebliebenen Verwandten und Partnern. Die aus den historischen Dokumenten erkennbaren Debatten beleuchten die religiösen, kulturellen, traditionsgebundenen und modernistischen Kräfte, von welchen die damalige Berliner Judenschaft zerrissen war und aus denen schließlich die Scheidewege zwischen Orthodoxie, Reform und Apostasie hervorgingen.

Begleitet wurde der Vortrag von musikalischen Beiträgen aus der Zeit, die zwischen dem Klesmer Michael Gusikow, Kantoralem und Stücken von Mendelssohn und Meyerbeer variieren.

Orgel: Dr. Jakub Sawicki, Dom-Organist am Berliner Dom
Gesang: Isidoro Abramowicz, Kantor und Musikdirektor der Synagoge Pestalozzistraße-Berlin, Jüdische Gemeinde zu Berlin
Lesungen: Kim Bormann, Schauspielerin


Vortrag
Prof. Dr. Karl E. Grözinger
Die erste jüdische Universität in Berlin (1856)

Thema des Vortrags ist die Begründung der ersten jüdischen Hochschule Berlin – die 1856 von den Stiftungen der Hofjuweliersfamilie Ephraim gegründet wurde – nach universitären Kriterien, die im Blick auf Lehrkräfte und Studierende die Mutterinstitution der späteren Hochschule für die Wissenschaft des Judentums war.

Den gesamten Vortrag lesen (PDF)

Fotos: Matthias Reichelt


 

Die Soirée fand statt in Kooperation der Ephraim Veitel Stiftung mit der Stiftung Stadtmuseum, Berlin und im Rahmen der bundesweiten Veranstaltungsreihe „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ (#2021JLID).
Weitere Information dazu unter: https://2021jlid.de/


Das Stiftungstestament von 1774

Karl E. Grözinger

Das Stiftungstestament des Veitel Heine Ephraim von 1774 –
Gründung einer Familiendynastie – Einführung und der Text

Abb. 1: Testament von Veitel Heine Ephraim, Berlin 1774,
Abb. 1: Testament von Veitel Heine Ephraim, Berlin 1774, Papier, Tinte, Siegellack, 35,5 × 45,5 cm; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2006/3/1, Foto: Jens Ziehe

Am 23.10.1774, also am 18. Marcheschwan 5535 der jüdischen Zählung, unterzeichnete Veitel Heine Ephraim, der Älteste der preußischen und Berliner Judenschaft, Hofjuwelier, Hofagent, Münzpächter und Industrieller in Berlin sein Testament, anderthalb Jahre vor seinem Tode am 16.5.1775. Der Text ist in zwei Versionen überkommen, beide deutsch. Die eine ist das in einer hebräischen Kursive niedergeschriebene Original, die andere eine wohl offizielle Übertragung in die deutsche Sütterlinschrift, die auf einen professionellen Amts-Übersetzer der jüdischen Gemeinde hinweist. Beide Versionen liegen nun im Archiv des Jüdischen Museums zu Berlin. (1)

Veitel Heine Ephraim (1703 – 1775), der preußische Staats- und Hoffinancier ist auch in privat-familiärer Hinsicht mit großen Schritten in die preußische Kultur eingetreten. Dafür ist dieses Testament ein beeindruckendes Zeugnis. Veitel, wie er sich selbst nannte und wie er auch im großen Protokollbuch der jüdischen Gemeinde Berlins jener Jahre genannt wurde, hat ganz im Stil der deutschen Adelsfamilien eine eigene Dynastie begründet. Ihr Bestand sollte durch einen unveräußerlichen und unteilbaren Familien-Besitz gesichert werden, der zur Verherrlichung und Bewahrung dieser Familie auf »ewige Zeiten« dienen sollte. Die Grundlage für diese jüdisch-preußisch-dynastische Familiengründung war Veitels Testament.

Abb. 2 Testament von Veitel Heine Ephraim, Berlin 1774
Abb. 2: Testament von Veitel Heine Ephraim, Berlin 1774, Papier, Tinte, Leder, 47 × 37 cm; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2006/3/3, Foto: Jörg Waßmer

In diesem Forschungsbeitrag werden neben einer ausführlichen Einführung in das Testament und seine kulturellen und gesellschaftlichen Umstände beide Texte in Transkription geboten. Digitalisate von beiden Testamentversionen findet man hier auf der Website in der Rubrik »Archivalien«.

 

 

 

(1) Das Original in hebräischer Kursive: Testament von Veitel Heine Ephraim, Berlin 1774, Papier, Tinte, Siegellack, 35,5 × 45,5 cm; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2006/3/1, Foto: Jens Ziehe. Die Übertragung in die deutsche Sütterlinschrift: Testament von Veitel Heine Ephraim, Berlin 1774, Papier, Tinte, Leder, 47 × 37 cm; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2006/3/3, Foto: Jörg Waßmer. Beide Texte werden als Digitalisate auf dieser Webseite in der Rubrik Archivalien publiziert, die Transkriptionen beider Texte folgen hier am Ende des Forschungsbeitrages.

Den gesamten Einführungstext (32 Seiten) lesen (PDF)Transkription 1: Testament Sütterlinschrift (26 Seiten) lesen (PDF)Transkription 2: Testament Hebräisch (20 Seiten) lesen (PDF)


Friedrichsd'or, sogen. Kriegsprägung unter Veitel Ephraim, Königreich Preußen (Avers) Berlin, 1767

Rthlr. 33333: 8g

Das Stiftungskapital der Ephraim Veitel Stiftung belief sich laut dem Testament des Stifters, Ephraim Veitel Ephraim vom Februar 1799 auf die ungewöhnliche Summe von Rthlr. 33333:8 g »sage drey und dreißig Tausent drey Hundert drey und dreissig Reichsthaler acht Groschen«.

In den restlichen Anordnungen der Stiftungsurkunde operiert der Stifter stets mit runden Summen und so hatte er als Kapital der Stiftung ursprünglich auch den Betrag von 25.000 Reichsthalern angesetzt. Doch im Anhang der Stiftungsurkunde folgt sodann die überraschende Anordnung: »Mit der nehmlichen Verbindlichkeit und Verpflichtung, womit ich die in meinem ob und vorstehendem Testamente bemerkte Schuld von Rthlr 25000 … auf mir, meine Erben und Stellvertreter genommen, eben so habe ich annoch von heute und jetzo an auf mir, meine Erben und Stellvertreter genommen zu zahlen eine Stunde vor meinem Tode … die Summa von Rthlr 8333 : 8 g sage acht Tausend dreyhundert drey unddreyssig Reichsthaler acht Groschen Pr Cnt de anno 1764, zum Behuf der in meinem gedachten Testament bestimmten milden Stiftung.«

Warum will der Stifter eine Stunde vor seinem Tode diese eigenartige Summe zum Stiftungskapital hinzufügen lassen? Die Antwort gibt Ephraim Veitel schon im Anfang seines Testaments. Die Stiftung soll demnach »zum Nutzen seiner Seele« dienen, sie soll ihm als »gutes Werk, einst vorschreiten und den Weg zur Seeligkeit bahnen«. Entsprechend ordnete er an, dass an seinem Sterbetag während des Begräbnisses 300 Reichsthaler als Almosen an Arme verteilt werden sollten – gemäß dem talmudischen Motto »Almosen retten vor dem Tode«. Außerdem ordnete er an, dass 10 jüdische Gelehrte von seinem Abscheiden bis zu seiner Bestattung zu seinen Gunsten Mischna studieren sollten, wofür jeder mit 10 Reichsthalern entlohnt werde. – Alles also Maßnahmen, welche den Übergang des Stifters vom Leben zum Tode und ihn vor der im Grabe folgenden Grabesstrafe behüten sollten.

Die Erhöhung des Stiftungskapitals um 8333 Thaler und 8 Groschen gerade eine Stunde vor dem Tod des Stifters musste also demselben Ziele dienen. Aber weshalb ein so merkwürdiger Betrag? Die Lösung wird kein Finanzfachmann geben können, sondern nur ein »Kabbalist«. Betrachtet man diese Zahlen nach den Regeln der Gematria, also der Zahlen-Buchstabenspekulation, so löst sich das Rätsel alsbald auf: Die Ziffern 8333 ergeben zusammengezählt den Zahlwert 17. Nimmt man noch die 8 der Groschen hinzu kommt man auf 25. Schließlich darf man die Gesamtsumme, die wie ein Wort betrachtet werden kann, mit dem Wert eins zählen. Das ergibt zusammen 26. Und der Zahlwert 26 entspricht nach der Gematria nichts weniger als dem heiligsten Gottesnamen JHWH – יהוה. Der Stifter will also in der Stunde der höchsten Not das wirkmächtigste Remedium, den Gottesnamen – verkörpert durch die Zahlen der zusätzlichen Geldspende – hinzufügen, so wie man unter Juden Geldgeschenke mit der Zahl 18 gibt, welche nach der Gematria Ḥaj, »er soll leben« bedeutet. Auch die schließliche Endsumme ergibt eine weitere Unterstützung: Sie hat folgenden Zahlwert: 33333 ergibt nach der Gematria 15 und das ist die Kurzform des genannten Gottesnamens JaH- יה. Nimmt man noch die 8 g (g steht für den hebräischen Buchstaben Gimmel = 3) hinzu, so sind dies 11 und man kommt wieder auf die wunderbare 26.

Unser Stifter, der Weltmann, Industrielle, Münzentrepreneur und Kämpfer für die jüdischen Rechte im preußischen Staat und Finanzpolitiker, vertraute offenbar im Angesicht des Todes doch lieber auf die Sicherheiten der jüdischen Tradition.

K. E. Grözinger – Januar 2020

 

Friedrichsd'or, sogen. Kriegsprägung unter Veitel Ephraim, Königreich Preußen (Avers) Berlin, 1767

Abb. Vorschaubild:
Friedrich II (Münzherr)
Friedrichsd’or, sogen. Kriegsprägung unter Veitel Ephraim, Königreich Preußen (Avers)
Berlin, 1767, Gold mit Kupferkern, D: 24 mm; 6 g
Inv.-Nr.: IV 92/03 o, Bildnr.: IV 92/03 o_1
© Stiftung Stadtmuseum Berlin, Reproduktion: Michael Setzpfandt, Berlin


Wissenschaftliche Blätter aus der Veitel-Heine-Ephraim'schen Lehranstalt in Berlin

Die erste jüdische Universität in Berlin

Der Eröffnung der ersten universitären jüdischen Hochschule Berlins im Jahre 1856 gingen mehr als zwanzig Jahre des Niedergangs, des Suchens, Irrens und der Zurückweisungen voraus. Das 1774 gestiftete Lehrhaus Beth Midrasch hatte seine Attraktivität verloren, das Engagement neuer Lehrer aus dem Umkreis der neuen Wissenschaft des Judentums kam nicht richtig in Gang, Versuche mit christlichen Theologen mussten auf Geheiß der Behörden alsbald abgewiesen werden, die Einbeziehung in die neu gegründete Berliner Universität wurde harsch zurückgewiesen bis schließlich der Durchbruch als eigenständige Hochschule gelang. Sie wurde eng mit dem Unterrichtsrhythmus der Universität verzahnt, forderte dieselben hohen Zugangsbestimmungen und engagierte nur akademisch gebildete und promovierte Dozenten, darunter auch Professoren der Universität. Die Hochschule trug den Namen Veitel Heine Ephraimsche Lehranstalt. Das ungeklärte Ende kam zwischen 1927 und 1930.

Die Ephraim Veitel Stiftung finanzierte zusammen mit der Veitel Heine Ephraim‘schen Stiftung die Dozenten und die Buchankäufe. Der Lehrvertrag zwischen dem herausragenden Begründer der Wissenschaft des Judentums, Dr. Leopold Zunz, und der Ephraim Veitel Stiftung hat sich im Zunz-Archiv erhalten. Er legt die strengen akademischen Bedingungen der Lehre an dieser Hochschule fest:

Der Herr Dr. phil. Zunz verpflichtet sich:

§ 1
A. die rabbinische Litteratur d.h. alle Werke, welche seit dem Schlusse des Canons des alten Testaments in der aus dem Hebräischen und Aramäischen hervorgegangenen Gelehrten-Sprache der Juden und von der Hand der Letzteren geschrieben sind, und die damit in unmittelbarem Zusammenhange stehenden Hilfswissenschaften in rein philologisch archäologischer Weise, und zwar durch Vorträge über rabbinische Litteratur und aus derselben wobei die heilige Schrift, Talmud, Midrasch und Commentare in erster Reihe stehen, zu lehren, fördern und pflegen. […]

§ 2
Das Semester des Unterrichts schließt sich dem der hiesigen Universität an, und hat der Herr Dr. Zunz wenigstens zwei Monate vor dem jedesmaligen Semester eine genaue Anzeige über die von Ihm im nächsten Semester vorzutragenden Gegenstände unter Angabe der Zeit den Curatoren in triple schriftlich zu machen, und dann nach erhaltener schriftlicher Genehmigung Seitens der Curatoren diesen Plan zu befolgen, wenigstens so lange als bis ihm die Curatoren eine Abweichung davon gestatten.

Die für das Berliner Judentum höchst aufschlussreiche Geschichte dieser »Lehranstalt« ist bisher nur in Ansätzen erforscht (siehe K. E. Grözinger, Die Stiftungen der preußisch-jüdischen Hofjuweliersfamilie Ephraim und ihre Spuren in der Gegenwart, Wiesbaden 2009). Die Grundlage für weitere Erforschung der Hochschule und der gesamten Aktivitäten der Hofjuwliersfamilie Ephraim und ihres wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Umfeldes wird durch ein digitales Archiv geschaffen, das gegenwärtig vom Vorsitzenden der Ephraim Veitel Stiftung, Prof. Dr. Karl E. Grözinger, in Kooperation mit dem Lehrstuhl Neuere Geschichte (deutsch-jüdische Geschichte) an der Universität Potsdam unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Brechenmacher erarbeitet und dann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Über den Fortgang dieser Arbeiten und wichtige Funde werden wir regelmäßig an dieser Stelle informieren.

K. E. Grözinger – Januar 2020

Wissenschaftliche Blätter aus der Veitel-Heine-Ephraim'schen Lehranstalt in Berlin

Abb. Vorschaubild:
Wissenschaftliche Blätter aus der Veitel-Heine-Ephraim’schen Lehranstalt in Berlin
Verlagsort: Berlin | Erscheinungsjahr: 1862 | Verlag: [s.n.]
Bayerische Staatsbibliothek, München, Signatur: Hbh/Pz 7850-1
Reihe: Wissenschaftliche Blätter aus der Veitel-Heine-Ephraim’schen Lehranstalt in Berlin
Permalink: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10814296-8


Theodor Fontane und die protestantischen Juden

Soirée mit Vortrag, Lesung, Musik und Gespräch
Am 1. Oktober 2019 um 19.30 Uhr
Märkisches Museum Berlin, Hoffmannsaal
Am Köllnischen Park 5, 10179 Berlin
Eintritt frei

Theodor Fontane (1819-1898), dessen Geburtstag sich im Dezember 2019 zum 200. Mal jährte, lernte bei seinen Aufenthalten im Riesengebirge die Familie Friedlaender kennen sowie die Familie Eberty, Nachkommen des Berliner Hofjuweliers und Bankiers Veitel Heine Ephraim. Sie hatten in der Hoffnung auf Erfolg und unter dem Anpassungsdruck des preußischen Staates ihren Namen und ihr Judentum abgelegt. Theodor Fontanes Haltung ihnen gegenüber schwankte zwischen Neugier, Sympathie und Skepsis. Vermutlich haben manche Gestalten in Fontanes Romanen ihre Vorbilder in diesem Milieu. Professor Dr. Hans Dieter Zimmermann, Autor der neuesten Fontane-Biographie, lies mit Geschichten und Lesungen eine kaum bekannte Seite Fontanes lebendig werden. Begleitend dazu spielte Evgeny Beleninov Stücke von Felix Mendelssohn und Niccolò Paganini auf der klassischen Gitarre.


Vortrag
Hans-Dieter Zimmermann
Theodor Fontane und die protestantischen Juden

Theodor Fontane besprach in einer umfangreichen Rezension, die in zwei Teilen in der »Vossischen Zeitung« am 17. und 24. November 1878 abgedruckt wurde, die »Jugenderinnerungen eines alten Berliners« von Felix Eberty. Eberty ist ein direkter Nachkomme von Veitel Heine Ephraim (1703 – 1775), dem Juwelier und Bankier, der Friedrich II. half, die Kriege zu finanzieren, und der vom König, sobald die Kriege vorüber waren, fallen gelassen wurde. Einer von vier Söhnen war Joseph Veitel Ephraim (1730 – 1786), ebenfalls Hofjuwelier. Dieser wiederum zwei Söhne Veitel Joseph und Heimann Joseph (1784 – 1856). Heimann Joseph nannte sich seit 17. September 1810 Hermann Eberty. Die Trennung vom Judentum fiel ihm schwerer als die von seinem jüdischen Namen: erst 1840 ließ er sich taufen. Sein Sohn, also der Urenkel des Veitel Heine Ephraim, ist jener Felix Eberty (1812 – 1884), dessen Erinnerungen Theodor Fontane besprach.

Den gesamten Vortrag lesen (PDF)

Fotos: Matthias Reichelt


Eine Kooperation der Ephraim Veitel Stiftung mit der Stiftung Stadtmuseum Berlin und der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum


Gefördert durch die LOTTO-Stiftung Berlin