Die Ephraim-Veitel-Stiftung ist zurück

4. Mai 2018 – 19 Iyyar 5778
Von Paul Heintze

Eine denkwürdige Feier fand am 26. April im Berliner Ephraim Palais statt. Die 1799 von dem ehemaligen Hausherrn des Palais, Ephraim Veitel (1729-1803), Hofjuwelier und Münzenterpreneur von Friedrich II., gegründete Ephraim Veitel Stiftung ist 84 Jahre nach „Arisierung“ und Zwangsexil wieder nach Berlin zurückgekehrt. Hier soll sie im alten Stammhaus der Familie mit neuem Leben erfüllt werden.

Die Stiftung hatte neben sozialen Aufgaben vor allem die Schulbildung der jüdischen Jugend an der von Ephraims Vater Veitel Heine Ephraim gestifteten privaten Freischule gefördert. Im Jahr 1856 wurde die Schule zur ersten jüdischen Universität umgestaltet, nachdem die Berliner Universität es abgelehnt hatte das Fach Jüdische Studien in ihr Programm aufzunehmen. Die Veitel Heine Ephraimsche Lehranstalt genannte Hochschule zählte zu ihren Dozenten die herausragenden Köpfe der Wissenschaft des Judentums, so Leopold Zunz, Moritz Steinschneider und Abraham Geiger. Hier wurde die jüdische Wissenschaft wider den antijüdischen Zeitgeist in den Kreis der Universitätsfächer eingeführt.

Mit dem Jahr 1934 begann der Raub an der jüdischen Stiftung durch die sogenannte „Arisierung“. Der Name des Stifters wurde entfernt und Juden aus dem Vorstand gedrängt. Schon bald wurden unter dem neuen Vorsitzenden – SA-Mann und Parteimitglied – sämtliche jüdische Bewilligungsempfänger komplett aus der Liste möglicher Begünstigter gestrichen, an ihre Stelle traten stramme „Arier“ und auch Organisationen der NSDAP – auch an die eigene Familie hat man gedacht.

Nach Kriegsende haben die Alliierten und die Berliner Stiftungsaufsicht gefordert, alle in der NS-Zeit in den Vorstand der Stiftung eingerückten Personen umgehend auszuschließen und auch die den Nazi-Vorgaben angepasste Satzung wieder auf ihren Stand vor der „Arisierung“ zurückzuführen. Der SA-Mann wusste dies alles zu verhindern und zwar bis zu seinem Tode im Jahre 2000. Zu diesem Zweck hat er, der während der NSDAP-Herrschaft und danach im Auswärtigen Amt Deutschlands arbeitete, die Stiftung nach Bonn verlegt, wo sich wohl niemand mehr für ihre Raubgeschichte interessierte. Noch 1988 hat der Alt-Parteigenosse sogar einen von außen kommenden Versuch verhindert, wenigstens den ursprünglichen Stifternamen neben die noch gültige Nazi-Benennung einzusetzen.

Erst nach dem Tod des Dauervorsitzenden konnte eine schrittweise Rückführung begonnen und dann durch gründliche Forschungen in den preußischen Archiven beschleunigt werden, welche schließlich zur Rückführung nach Berlin führten.

Die wegen dieser Geschichte wirtschaftlich stark angeschlagene Stiftung soll nun durch Spenden und mögliche Kapitalaufstockungen wieder arbeitsfähig gemacht werden und eine aktive Rolle in der Vermittlung jüdischen Wissens spielen, dies auch durch Projektförderungen zu jüdischen Themen, insbesondere auch im Bereich der Jugend.

Der Artikel im Netz (Jüdische Rundschau)

Fotos: Matthias Reichelt

Ephraim-Veitel-Stiftung: Vom Rhein an die Spree

18. Mai 2018 – 4. Siwan 5778
Von Jérôme Lombard

Feier zur Rückkehr der Ephraim Veitel Stiftung / Der Vorstand mit von links nach rechts: Beatrice Magnus-Wiebel, Prof. Dr. Karl E. Grözinger, Lala Suesskind / Foto: Matthias Reichelt

Es war ein ganz besonderer Abend im Ephraim-Palais in Berlin-Mitte: Am 26. April feierte die Ephraim-Veitel-Stiftung – Deutschlands wahrscheinlich älteste jüdische Wohltätigkeitsstiftung – ihre Rückkehr nach Berlin. Der Ort für die Feier war keinesfalls zufällig gewählt worden. Das imposante Gebäude im Nikolaiviertel gilt als das Stammhaus der jüdisch-preußischen Familie Ephraim und ist der neue Hauptsitz der Stiftung.

»Ein verstoßenes Waisenkind kommt vom Rhein zurück an die Spree«, sagte Karl Erich Grözinger in seiner Begrüßungsrede vor geladenem Publikum. Der 75-jährige Judaist und Stiftungsvorsitzende hat mit seinen historischen Recherchen maßgeblich dazu beigetragen, dass die 1799 von dem preußisch-jüdischen Philanthropen Ephraim Veitel gegründete Stiftung nach der »Arisierung« durch die Nationalsozialisten heute wieder satzungsmäßig eine jüdische Stiftung ist. Dass die Institution von Bonn nach Berlin und damit zurück an ihre Geburtsstätte verlegt werden konnte, bezeichnete Grözinger als »institutionelle Wiedergutmachung historischen Unrechts«.

Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hieß die Stiftung und ihre Mitarbeiter an ihrer neu-alten Wirkungsstätte willkommen. »Mit dem Einzug der Ephraim-Veitel-Stiftung in das Ephraim-Palais kommt endlich zusammen, was zusammengehört«, sagte der Senator. Die Rückkehr der Stiftung nach Berlin sei Ausdruck des wieder erblühenden jüdischen Lebens in der Hauptstadt. »Dass wir in Berlin heute die am schnellsten wachsende jüdische Community außerhalb Israels haben, macht uns stolz«, erklärte Lederer weiter.

»Die Rückkehr ist Ausdruck des wieder erblühenden jüdischen Lebens in der Stadt.«
Kultursenator Klaus Lederer

Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, sprach mit Blick auf den Umzug der Stiftung nach Berlin von einem »überaus erfreulichen Zeichen«. »Dass die Ephraim-Veitel-Stiftung nach den dunklen Kapiteln der Vergangenheit heute wieder in dem ursprünglichen Sinne ihres Gründervaters arbeiten kann, ist das große Verdienst von Professor Grözinger und seinem Team«, sagte Botmann der Jüdischen Allgemeinen. Er freue sich auf die künftige Zusammenarbeit mit dem Vorstand.

Stiftungsgründer Ephraim Veitel war ein Hofjuwelier und Münzunternehmer am Hof Friedrichs des Großen und gehörte zu einer angesehenen jüdischen Familie. Für solche Familien war es Tradition, ihren hart erarbeiteten Wohlstand in Form von Stiftungen an ihre jüdischen und christlichen Mitbürger weiterzugeben.

Aus der originalen Stiftungsurkunde vom 6. Februar 1799, die Grözinger bei seinen Recherchen im Potsdamer Landeshauptarchiv gefunden hatte, geht hervor, dass die Institution drei Förderziele hatte. Das erste Drittel des ursprünglichen Gesamtvolumens von »33.333 Reichsthalern und acht Groschen Preußischer Courants« sollte für die Förderung des Studiums der Tora und des Talmud ausgegeben werden. Das zweite Drittel war für die Krankenfürsorge, vor allem für kranke Arme aus der weit verzweigten Stifterfamilie, und der dritte Teil zur Finanzierung der Aussteuer bedürftiger Bräute aus der Verwandtschaft vorgesehen.

Mit diesem Anspruch einer allgemeinwohlorientierten jüdischen Stiftung arbeitete die Institution bis 1934. Dann wurde die Stiftung wie alle jüdischen Stiftungen von den Nationalsozialisten enteignet – »arisiert«, wie es im NS-Jargon hieß. 1939 wurde ein entsprechendes NS-Stiftungsgesetz erlassen.

Die Nationalsozialisten zerschlugen die Ephraim-Veitel-Stiftung als Institution allerdings nicht völlig. Sie änderten den Namen in »Stiftung von 1803«. Damit spielten sie auf das Jahr an, in dem die Stiftung wirksam geworden war. Die jüdischen Vorstandsmitglieder wurden aus ihren Ämtern entfernt, und finanzielle Zuwendungen wurden nur noch an »arische« Deutsche ausgegeben. Die Erinnerung an den Namensgeber und den jüdischen Ursprung der Stiftung war damit zunichtegemacht worden.

Nach 1945 blieb der in der NS-Zeit eingesetzte Vorstandschef im Amt. Dieser verlegte die Stiftung von Berlin nach Bonn. Vermutlich, um sich der Prüfung durch die alliierte Stiftungsbehörde zu entziehen. Das Stiftungskapital war nach dem Krieg in eine Ost- und eine Westabteilung aufgeteilt und stark reduziert worden.

Der alte Vorsitzende überwies sich dennoch Jahr für Jahr ein Verwaltungshonorar, dies allerdings, ohne tatsächliche Stiftungstätigkeiten auszuführen. Von den Prüfungsbehörden blieben die Stiftung und ihr Vorsitzender in Bonn unbehelligt. Der Mantel des Schweigens und Vertuschens, der sich in den Folgejahren über die Stiftung gelegt hatte, konnte erst 2001 mit dem Tod des alten Vorsitzenden gelüftet werden. Seither agiert die Stiftung wieder unter ihrem ursprünglichen Namen im historischen Sinne ihres Gründers.

»Die Ephraim-Veitel-Stiftung war eine klassische NS-Raubinstitution«, sagte Karl Erich Grözinger. Es sei daher durchaus eine Ironie der Geschichte, dass die Namensänderung die Stiftung vor einer Zwangsauflösung und damit vor dem Schicksal anderer jüdischer Stiftungen in der NS-Zeit bewahrt habe.

»Diesem Umstand verdanken wir es, dass die Ephraim-Veitel-Stiftung die älteste jüdische Stiftung in Deutschland ist, die seit ihrer Gründung bis heute ununterbrochen besteht«, sagt Grözinger, der seit 2007 Vorsitzender der Stiftung ist. Stellvertretende Vorsitzende ist die langjährige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Lala Süsskind.

Die Ephraim-Veitel-Stiftung fördert aktuell Projekte der jüdischen Erziehung und des interkulturellen Austauschs, darunter Schülerfahrten nach Polen und Jugendleiterseminare in Israel. Um die Stiftung wieder voll funktionsfähig zu machen, ist man auf Spenden angewiesen.

Felix Klein, der neue Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, kündigte an, sich für eine Förderung der Stiftung einzusetzen. »Die Ephraim-Veitel-Stiftung trägt mit ihren historischen Traditionslinien entscheidend dazu bei, die unterschiedlichen Facetten deutsch-jüdischen Lebens der Bevölkerung näherzubringen«, sagte Klein.

Der Artikel im Netz (Jüdische Allgemeine Zeitung/JAZ)